Uli hat geschrieben:Harald, du sagst also einfach, es gibt keine Zeitdilatation.
Wenn das so ist, dann gibt es auch kein Zwillingsparadoxon - schon klar.
Die Zeitdilatation der SRT ist ein relativer Beobachtungseffekt und bedeutet nicht, dass irgendeine beteiligte Uhr tatsächlich langsamer läuft. Der Beweis hiefür ist schnell erbracht, wenn man bedenkt, dass an meiner Uhr im Wohnzimmer soeben jede Menge Beobachter vorbeilaufen könnten, welche die Uhr dilatiert wahrnehmen müssten, obwohl ich genau feststellen kann, dass das meine Uhr völlig kalt lässt - die läuft wie immer! Also es gilt die invariante Eigenzeit meiner Wohnzimmeruhr. Aufgrund dieses Zeitdilatationsprinzips der SRT ist es völlig unmöglich, dass eine Uhr nach einer Reise im Vergleich mit einer "ruhend" gebliebenen Uhr durch Zeitabweichung eine "Zeitdilatation" bestätigt, denn dann müsste sie konkret verändert gelaufen sein - und das ist eben - wie ich an meiner "ruhenden" Wohnzimmeruhr feststellen könnte, eben laut SRT nicht der Fall. Der beliebte Spruch "bewegte Uhren gehen langsam" entspricht nicht der SRT, sondern der LET, in welcher Uhren sich als bewegt oder ruhend eindeutig definieren lassen (in Bezug zum Äther), wogegen es in der SRT wg. des Relativitätsprinzips keinen Unterschied zwischen bewegt oder ruhend geben kann. Wenn an einer Uhr zwei Beobachter mit unterschiedlicher Geschwindigkeit vorbeirasen, so hat für jeden die wahrgenommene Zeitdilatation einen anderen Wert - und auch das schließt einen konkret veränderten Gang der Uhr natürlich aus, weil die Beobachtung der Uhr nur geschwindigkeitsabhängig durch irgendeine Eigenschaft der Raumzeit verzerrt wird.
Das bedeutet: Auch wenn es eine Zeitdilatation der SRT geben würde, wäre es nicht möglich, dass Zwillinge in unterschiedlichen Zeitabläufen landen, weil sich Beobachtereffekte nicht materiell manifestieren können. Nur für die Effekte der LET (Lorentz) träfe so ein Sachverhalt zu. Wenn sich derartige Effekte konkret verwirklichen (veränderter Uhrengang, vergrößerte Trägheit etc.) so ist das in erster Linie eine Bestätigung der LET (weil es absolute Effekte sind), wogegen sich in der SRT solche Effekte nur dann
messen lassen, wenn man nach Einsteinscher Synchronisationsvorschrift vorgeht.
Die Gültigkeit einer Theorie darf nicht davon abhängen, welchen Typ einer Uhr man einsetzt - aber sowohl in der SRT als auch in der ART dürfen nur Uhren bestimmter Bauart verwendet werden. Nimmt man andere periodische Prozesse zur Zeit-
erzeugung (Bewegungen von Himmelskörpern, Pulsare, Pendeluhren, Sand- od. Wasseruhren etc.), so funktioniert die Zeitdilatation eben nicht. Schon diese Einschränkung setzt die RT in ein schiefes Licht. Das Zwillingsparadoxon sollte aufzeigen, dass das Zeitdilatationsprinzip der SRT absurd ist und war nichts anderes als der Todestoß für diese Theorie - aber man wusste sich zu helfen und erklärte das Absurde zum Prinzip. Damit rannte man offene Türen ein, denn auf so geile Storys wie das unterschiedliche Altern von Zwillingen, fährt die Welt eben einfach ab, so etwas kribbelt so richtig unter der Hirnhaut... und schließlich braucht eine moderne Zeit auch moderne Märchen!
Uli hat geschrieben:Im Gegensatz zu deiner Erwartung sagt die SRT eine Zeitdilatation aber voraus.
Ob es nun eine gibt, das muss letztlich die Beobachtung entscheiden; diese gibt Einstein recht (Myon-Lebensdauer etc.).
Wie oben gesagt: die Zeitdilatation der SRT ist kein absoluter Effekt und kann sich nicht in einer verlängerten Lebensdauer von Myonen manifestieren. Der Beweis mit den Myonen krankt überdies an der Tatsache, dass Rossi und Hall 1941 noch gar nicht wussten, welche Zerfallskanäle zu Myonen führen; der diesbezügliche Stolperstein heißt Kaon. Sollten in den Laborversuchen Myonen tatsächlich langsamer zerfallen, so hat das mit Zeitdilatation gar nichts zu tun. Geschwindigkeiten sind in der SRT immer relativ und deshalb würden mehrere Beobachter mit unterschiedlichen Relativgeschwindigkeiten das Altern der Myonen auch unterschiedlich beurteilen, auch das geht eben nur dann, wenn es sich um "Messrealitäten" handelt, die sich auf bestimmte Synchronisationen und Postulate stützen.
Uli hat geschrieben:Deine ursprüngliche Bemerkung, dass Einstein irgendetwas vergessen oder übersehen hat, war also nicht ganz ernst gemeint.
Du meinst vielmehr, seine Theorie ist falsch.
Nein, seine Theorie ist nicht falsch, sondern sie wird falsch interpretiert, wenn man glaubt, dass der Wechsel eines Bezugssystems Massen erzeugen, Uhrengang verändern oder Strecken verkürzen oder verlängern kann. Keine Transformation kann ein physikalisches Ereignis verändern, es sind immer nur die Koordinaten, die sich ändern. Und daher ist die SRT keine Naturbeschreibung sondern eine Messvorschrift, die sogar vertretbar ist, weil sie uns vor der Aufgabe bewahrt, zwischen SRT und LET zu unterscheiden. Die SRT funktioniert deshalb, weil sie denselben mathematischen Formalismus anwendet wie die Lorentzsche Variante - aber alle konkret manifestierten Effekte bestätigen immer nur die LET. Und in der gibt es keine Zeitdilatation, sondern schlicht und einfach den Einfluss eines Mediums auf periodische Vorgänge.
Uli hat geschrieben:Für einen Moment hatte ich den Eindruck gehabt, du akzeptierst die von der SRT vorhergesagte Zeitdilatation und schlägst einfach die Verwendung einer absoluten Zeit vor, um diese zu umgehen.
Das Postulat von der invarianten und konstanten Lichtgeschwindigkeit steht auf den Prinzipien absoluten Raumes und absoluter Zeit, denn eine universell nie anders messbare Geschwindigkeit als mit "c" ist ebenfalls absolut! Die ganze SRT spielt sich auf einer Bühne bestehend aus absolutem Raum und absoluter Zeit ab, das Licht selbst repräsentiert dieses Absolutsystem, wie man schön an der Kosmischen Hintergrundstrahlung sehen kann. Alle Bewegungen und Geschwindigkeiten kann man auf diesen Hintergrund beziehen, jede Geschwindigkeit ist als Prozentsatz der Lichtgeschwindigkeit ebenso absolut definierbar wie die Lichtgeschwindigkeit selbst. Ich muss eine absolute Zeit daher nicht vorschlagen, denn wir kommen ohne sie gar nicht aus. Für Astronomen ist sie seit Gedenken eine Selbstverständlichkeit.
Aber: wenn wir Gleichzeitigkeit so definieren wie Einstein und unsere Uhren mit Lichtlaufzeiten synchronisieren, dann müssen wir in vielen Fällen mit Einstein rechnen. Zum Glück verwenden wir völlig andere Synchronisationsprotokolle, um unsere Uhren und Computer im Gleichlauf zu halten. Würden wir das mit Einstein tun, hätten wir das totale Chaos und unsere Daten landeten im Nirgendwo
Grüße
Harald Maurer