Trigemina hat geschrieben:Das Zwillingsparadoxon lässt sich rein kinematisch beschreiben, also ohne Kräfte.
Es gibt mehrere unterschiedliche Beschreibungen bzw. "Lösungen" des ZP. Mit Kräften und ohne Kräfte, rein kinematisch, mit und ohne Beschleunigung, mit und ohne ART ... Jeden selbstdenkenden Menschen sollte besonders diese Vielfältigkeit misstrauisch machen. Aber offenbar existiert keine eindeutige Lösung des Problems. Die kinematische Beschreibung ist die am wenigsten geeignete, denn sie entspricht nicht den Gegebenheiten, die dem Gedankenexperiment zugrunde lägen - wenn man es denn verwirklichen könnte. Unsere dynamische Welt ist auf Kräfte aufgebaut, alle kinematischen Grundlagen der SRT beruhen daher auf Schulbuchdefinitionen, die gar nicht existieren.
Viele Paradoxa lassen sich mathematisch lösen, obwohl sie ein unmögliches Ereignis beschreiben. Ein Beispiel dafür wäre das Banach-Tarsky-Paradoxon: Mathematisch ist es möglich, eine Kugel im dreidimensionalen Raum in endlich viele Stücke zu zerlegen und diese dann so zusammenzusetzen, dass zwei Kugeln entstehen, die genau so groß sind wie die erste. Dieser erstaunliche Satz der Mengenlehre wurde 1924 von den polnischen Mathematikern Stefan Banach und Alfred Tarski formuliert und bewiesen. http://de.wikipedia.org/wiki/Banach-Tarski-Paradoxon
Dass sich ein Gedankenexperiment mathematisch gut darstellen und "beweisen" lässt, ist als Argument für die Richtigkeit einer Theorie daher nicht besonders aussagekräftig. Schon gar nicht, wenn man von vornherein ein Paradoxon, nämlich eine ungleichzeitige Gleichzeitigkeit, als Voraussetzung nimmt. Es ist völlig klar, dass sich jeder Widerspruch mit dem zuvor eingebauten Widerspruch wieder aufheben lässt. Dieses Prinzip ist der Lorentztransformation impliziert. Zwar mathematisch einwandfrei, lässt sie dennoch keinen Bezug auf reale Naturvorgänge zu.
Trigemina hat geschrieben:Eine Synchronisation der Uhren wäre zwar möglich, sie entspräche jedoch nicht mehr der Eigenzeit des reisenden Zwillings. Er würde mit einer nicht-synchronisierten Uhr in weniger Eigenzeit als der Daheimgebliebene zurückkehren.
Wenn Zeit das ist, was Uhren anzeigen, so wäre nicht nachvollziehbar. weshalb von 2 synchron laufenden Uhren eine diesem Grundsatz nicht entsprechen sollte. Wenn das Problem der Synchronisation darin läge, dass eine Uhr eine "ruhende" sei und die andere eine "bewegte", so läge schon in diesem Ansatz eine Verletzung des Relativitätsprinzips vor. Letzerem gemäß darf es diesen Unterschied nicht geben und keine physikalische Wirkung aus diesem Unterschied resultieren. Die SRT stützt einerseits die Invarianz der Eigenzeit und andererseits eine wahrnehmbare Veränderung physikalisch-periodischer Vorgänge aus der Beziehung von Bezugssystemen unterschiedlicher Bewegungszustände. Das ist nur dann vertretbar, wenn man es als Mess- oder Wahrnehmungsillusion akzeptiert oder davon ausgeht, dass die Natur sich scheinbar so verhält, dass Koordinaten sich verdrehen müssen, wenn man sie transformiert. Das betrifft maximal sicher nur die Wahrnehmung und hat keinerlei materielle-physikalische Veränderung der Ereignisse in sich. Es wäre nicht einzusehen, dass meine Uhr bloß deshalb langsamer ginge, weil ein Beobachter sich an ihr vorbeibewegen würde. Dasselbe gilt für eine Uhr des bewegten Beobachters, die ich zwar dilatiert wahrnehmen sollte, aber weiß, dass sie sich in keiner Weise verändert. Die Effekte der SRT sind Effekte der Raumzeit; Signale, die die Raumzeit durchmessen, werden hyperbolisch verformt wie durch einen Zerrspiegel. Diese Relativ-Erscheinungen sind in gleichem Sinne messbar wie Stroposkopeffekte oder andere optische Täuschungen, die zwar keinesfalls real aber dennoch messbar sind. Die Ontologisierung dieser Effekte bildet die Basis für die Meinungsverschiedenheiten, welche die Debatten über die SRT seit 100 Jahren aufrecht erhalten.
Trigemina hat geschrieben:Beschleunigen wir nun einen Körper instantan von v1 auf v2 und wechseln das Inertialsystem von K' nach K", unterscheiden sich die Zeitpunkte t1, t'1 und t"1 aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit voneinander. Das Ereignis “instantane Beschleunigung“ findet zu verschiedenen Eigenzeiten in den Systemen K, K' und K" statt, die Symmetrie ist gebrochen. t1 und t'1 stehen zwar in einer symmetrischen Beziehung zueinander, nicht aber mit t"1 des Systems K", in dem sich die Rakete jetzt befindet.
Die beiden Bezugssysteme der Zwillinge sind von vornherein nicht gleichberechtigt. Dem Reisenden wird ein Wechsel des Inertialsystems unterstellt, vom Zurückgebliebenen wird behauptet, er würde in seinem Inertialsystem "ruhen" - und dabei wird negiert, dass sich der Erdling überhaupt nicht in einem Inertialsystem, sondern auf einem rotierenden Planeten befindet, der zudem um die Sonne kreist und daher ständigen Beschleunigungen ausgesetzt ist. Er wechselt deshalb ständig das Inertialsystem bzw. liegen auch infinitesimal keine IS vor, wenn man es genau nimmt. Während der IS-Wechsel des Reisenden wichtig scheint, um die "Symmetrie" zu zerstören, liegt wegen kontinuierlichen Wechsels des IS-Systems des Erdlings (bzw. fehlendem IS) a priori gar keine Symmetrie vor, die es zu "brechen" gälte. Sowohl die Problemstellung des ZP als auch seine Lösungen sind deshalb reinster Humbug und haben genaugenommen mit der SRT gar nichts zu tun. Schon Einstein ist diesem Paradoxon auf den Leim gegangen und hätte gleich erkennen müssen, dass die Anwendung der SRT auf diese Situation völlig verfehlt ist. Das ist bloß "Gedankenphysik" ohne jeden Bezug zur Realität. Die mathematische Behandlung des Ereignisses mit Hilfe von Bezugssystemen stellt eine Beziehung zwischen den Zwillingen her, die naturgemäß gar nicht existiert. Es kann jeder Uhr der Beteiligten völlig gleichgültig bleiben, ob sie von einem bewegten oder ruhenden Beobachter wahrgenommen wird. Sie weiß nichts vom Bewegungszustand und kann ihren Gang ohne physikalischen Einfluss nicht verändern - schon gar nicht, weil irgendwelche räumlichen Koordinaten, die rein menschliche Gedankenkonstruktionen sind, irgendwie anders angelegt werden.
Wie absurd eine Sitation werden kann, wenn man die Koordinatenzaubereien der SRT anwendet, zeigt folgendes Beispiel:
Betrachtet man 3 Inertialsysteme, von denen das mittlere in Ruhe und die beiden anderen sich mit hoher Geschwindigkeit vom ruhenden in entgegen gesetzter Richtung fortbewegen, ergibt sich gemäß SRT für die bewegten Systeme eine Zeitdilatation mit dem Faktor SQR 1-(v/c)² aus der Sicht des IS C.
Aus Sicht von IS A bewegt sich aber auch IS B mit hoher Geschwindigkeit. Trotzdem laufen in den beiden Systemen A und B die Uhren synchron (was IS C auch so sieht).
Gemäß SRT kann man aber auch IS A als ruhend annehmen, weil alle IS gleichberechtigt sind. Dann würde natürlich in IS C die Zeit um den Faktor SQR 1-(v/c)² gedehnt werden - und die Uhr in IS B könnte mit einemmal nicht mehr synchron mit A laufen, weil B nun eine Relativbewegung zu IS A besitzt.
Je nach Bezugssystem ändern Uhren ihre Gangart, die Uhr im IS B liefe einmal synchron und ein andermal nicht synchron mit Uhr A, eine Abhängigkeit vom Bezugsssystem, die eine reale Änderung des Uhrenganges völlig ausschließt.
Trigemina hat geschrieben:Das alles ist eine Folge der Lorentz-Transformation und kann im Minkowski-Diagramm grafisch durch eine geknickte Weltlinie als Folge der instantanen Beschleunigung dargestellt werden.
Nichts kann "eine Folge der Lorentztransformation" sein! Könnte eine Koordinatentransformation physikalische Einflüsse ausüben, wäre das wohl ein äußerst mächtiges Werkzeug für den Physiker. Aber auch die Lorentztransformation kann nicht mehr als die Galileitransformation; sie weist einem ansonsten unveränderbaren Ereignis andere Koordinaten zu - und sonst nichts. Das Ereignis selbst kann nicht verändert werden. Alles andere wäre ein Wunder. Zwillinge, die als "Folge der Lorentztransformation" unterschiedlich altern, wären so ein Wunder!
Die Sache mit den Maxwell-Gleichungen ist einfach. Natürlich waren sie ursprünglich für den Absolutäther gedacht (als bevorzugtes Bezugssystem bei Ungültigkeit des Relativitätsprinzips!), in welchem sich das Licht isotrop mit c ausbreitet. Transformiert man mit Galilei in ein relativ zu diesem Äther bewegtes Bezugssystem, wird die Lichtgeschwindigkeit anisotrop und Maxwell gilt nicht mehr. Die Gleichungen bewahren ihre Gültigkeit aber in der SRT, die ja voraussetzt, dass das Licht sich in jedem (beliebig definierbaren) Inertialsystem isotrop mit c ausbreitet (so als hätte jedes Inertialsystem seinen eigenen Äther). Ganz klar, dass Maxwells Gleichungen damit kovariant sind, ohne relativistisch zu sein. Sie wurden einfach vom absoluten Ätherystem in die Inertialsysteme der SRT verpflanzt und mussten sich nicht verändern. Das ist alles.
Grüße
Harald Maurer