Trigemina hat geschrieben:Faber hat geschrieben:Das bemerkenswerte an diesem Text ist: Ehrenfest gibt selbst einen Hinweis, woran sein Argument kranken mag, weshalb es gar kein Ehrenfest-Paradoxon geben mag. Damit meine ich seine abschließende Bemerkung.
Experimentell wird sich aufgrund der eingeschränkten Materialfestigkeit leider kaum evaluieren lassen, ob die von Ehrenfest aufgezeigten widersprechenden Schlussfolgerungen einer starren rotierenden Scheibe in praxi eintreten:
Und darum sollte die Kinematik nicht experimentell verifizierbar sei? Denken Sie sich anstelle der Scheibe schnelle Elektronen, die im Kreis rotieren oder ziehen Sie den Kreis in Rotationsachsenrichtung zu einer Spirale auseinander. Nicht nur die Elektronen selbst besitzen eine Eigenzeit, auch die Zwischenräume zwischen zwei Elektronen, die nacheinander dieselbe Bahn durchlaufen, bestehen aus infinitesimalen Abschnitten, die je eine Eigenzeit besitzen. Es reicht völlig aus, dass irgendwo im Zwischenraum ein weiteres Elektron fliegen könnte (Konjunktiv). Ob ein solches dort fliegt oder nicht, spielt keine Rolle. Daher hat nicht nur ein Elektron eine Eigenzeit. Auch ein jeder gedachte Punkt im Raum, der sich bloß gedachterweise wie ein Elektron bewegt, hat eine Eigenzeit. Das bedeutet, dass nicht nur die Elektronen Lorentzdeformationen erleiden, sondern auch die Zwischenräume zwischen den Elektronen. Es wird nun wohl grundsätzlich möglich sein, etwa die Elektronendichte entlang der Spirale zu messen.
Selbst wenn ich hier jetzt irren mag, was die technischen Möglichkeiten im genannten Fall angeht, so gibt es doch keinen Grund zu der Annahme, man müsse einen makroskopisch großen, festen Körper zur Überprüfung der Kinematik in schnelle Rotation versetzen. Bei kumulativen Effekten ist das sowieso nicht erforderlich (siehe T. E. Phipps Jr.).
Es besteht also überhaupt kein Grund zu der Annahme, die äußerst interessante und schöne mathematische Theorie der Kinematik der Herren Einstein, Minkowski und Born sei nicht im Sinne des Herrn Popper falsifizierbar und bereits aus diesem Grund völlig inakzeptabel und obskurantistisch, anti-wissenschaftlich zu nennen.
Lesen Sie die Ausführungen von Max Born, besonders seine allgemeinverständliche ausführliche Einleitung. Er erhellt die Wichtigkeit und die Bedeutung der rein kinematischen Betrachtung. Auf
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Trigemina hat geschrieben:Ehrenfest weist auf diesen doch sehr merkwürdigen Umstand hin zwischen R'=R und 2πR' < 2πR und integriert die dabei zugrundeliegenden Minkowsi-Metriken verschiedener Umfangsgeschwindigkeiten über eine Schar radial abhängiger Abstände zu einer nicht mehr euklidisch darstellbaren nicht-globalen Metrik.
Die kinematische Idealisierung des Ehrenfest-Paradoxon – wir wissen, dass eine dynamische Behandlung wegen der eingeschränkten Materialfestigkeit nicht möglich ist – erfordert nun eine der SRT widersprechende Bedingung eines vollkommen starren Körpers, den es wegen der unendlich hohen Schallgeschwindigkeit im Material (>c) nicht geben kann!
Nein falsch. Ehrenfest sagt selbst, dass sich ein vollkommen starrer Körper lediglich dann ergibt, wenn die Lorentzdeformationen lediglich von der Geschwindigkeit und nicht von der Beschleunigung abhängen. Die Ableitung der Ortsvektoren, die Max Born angibt (Gleichungen 74), sind aber tatsächlich nicht nur von der vorgegebenen Geschwindigkeit p abhängig sondern auch von deren zeitlicher Ableitung, wie ich bereits gezeigt hatte. (Das ist ganz unabhängig davon, ob da nun q = sqrt(1 + p²/c²) oder q = sqrt(1 - p²/c²) steht.)
Trigemina hat geschrieben:Mir ist dabei völlig klar, dass hier um des Kaisers Bart gestritten wird: Ein an sich unmöglich zu realisierendes Gedankenexperiment wird kinematisch so zurecht gestutzt, dass es sich unter der Prämisse eines vollkommen starren Körpers (den es aber so nicht gibt) auflösen lässt.
Nein falsch. 1.) Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass kein geeignetes Experiment durchführbar wäre. (s.o.) 2.) Wir erwarten ja gerade einen nicht-starren bzw. genauer einen im Sinne von Born relativistisch-starren geometrischen Körper bzw. eine entsprechende zeitvariable geometrische Anordnung Raum-koordinierender Objekte.
Wie gesagt: Fühlen Sie sich frei, eine eigene erweiterte SRT zu erfinden. Meine Empfehlung: Beweisen Sie, dass Max Born irrt, bevor man Sie Crank nennen wird. Born behandelt jegliche Bewegung relativistisch-starrer Körper völlig im Rahmen der SRT Einsteins in der Raumzeit Minkowskis und liefert das sachgerechte Ergebnis.
Trigemina hat geschrieben:Physikalisch konservativ betrachtet existiert kein Ehrenfest-Paradoxon, da jegliches Material weit unterhalb relativistisch relevanter Umfangsgeschwindigkeiten um die Ohren fliegt!
Vergessen Sie doch bitte solchen Obskurantismus, der darauf abzielt, die Überprüfbarkeit der kinematischen SRT ins Dunkle zu zerren. Es ist üblich, Falsifizierbarkeit gemäß Popper zu verlangen. Lesen Sie wie gesagt Max Born. Der bedient sich sauber der gegebenen Voraussetzung (Minkowskis Raumzeit) sowie der Mathematik, um zu sauberen Schlüssen zu kommen, deren Übereinstimmung mit der Natur überprüfbar ist.
Anstelle von starren Körpern spricht Born von inkompressiblen Flüssigkeiten. Das ist sehr anschaulich und für das Verständnis der SRT extrem nützlich. Denn die SRT behauptet ja nicht, dass irgendwelche Kräfte die Körper verformen (im Gegenteil: auch Kraftvektoren werden deformiert). Die Volumenelemente einer inkompressiblen Flüssigkeit werden in der SRT trotz Inkompressibilität bei Bewegung verformt. Relativistisch-starr bedeutet nun genau folgendes: Ein Volumenelement einer inkompressiblen Flüssigkeit wird in der SRT trotz `Inkompressibilität' bei Bewegung verformt. Diese Verformung folgt aber exakt festgelegten Regeln. Die Lorentztransformation bestimmt die Regeln. Die Flüssigkeit ist relativistisch-starr oder relativistisch-inkompressibel, wenn die Volumenelemente gegenüber dem Ruhezustand im Eigensystem gemäß diesen Regeln deformiert sind.
Es ist auch wichtig, von Lorentz-Deformation zu reden, denn Lorentz-Kontraktion beschreibt die Situation nur in Sonderfällen korrekt.
Gruß
Faber